Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990

vom  20. Februar 1990

geändert durch
Gesetz vom 20. Juli 1990 (GBl. I S. 897), § 2 Abs. 2.

faktisch aufgehoben durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. I S. 889)

I.
Wahlgrundsätze und Wahlsystem

§ 1. (1) Die Wahlen zur Volkskammer finden auf der Grundlage der Verfassung der DDR, dieses Wahlgesetzes und der dazu ergangenen Wahlordnung statt.

(2) Die Volkskammer besteht aus 400 Abgeordneten.

§ 2. (1) Die Abgeordneten der Volkskammer werden in freier, allgemeiner, gleicher, direkter und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern (nachfolgend als Bürger bezeichnet) der DDR auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

(2) Die Ausübung des Wählrechts beruht auf der freien Entscheidung der Wählerin und des Wählers (nachfolgend als Wähler bezeichnet).

§ 3. (1) Wahlberechtigt für die Wahlen zur Volkskammer ist jeder Bürger der DDR, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Nicht wahlberechtigt ist:
1. wer rechtskräftig entmündigt ist,
2. wem infolge eines rechtskräftigen Urteils die staatsbürgerlichen Rechte aberkannt wurden.

(3) Das Recht zu wählen ruht bei Bürgern, die wegen einer psychischen Erkrankung oder wegen schwerer Fehlentwicklung der Persönlichkeit von Krankheitswert oder wegen intellektueller Schädigung unter vorläufiger Vormundschaft oder unter Gebrechlichkeitspflege stehen Entsprechendes gilt bei Bürgern, die aus den gleichen Gründen auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften unbefristet in eine Einrichtung für psychisch Kranke eingewiesen sind.

§ 4. (1) Wählbar zur Volkskammer ist jeder Bürger der DDR, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Nicht wählbar ist:
1. wer gemäß § 3 Absatz 2 nicht wahlberechtigt ist oder dessen Wahlrecht gemäß § 3 Absatz 3 ruht,
2. wer rechtskräftig zu einer Strafe mit Freiheitsentzug verurteilt ist und diese noch nicht vollzogen ist.

§ 5. (1) Die Wähl wird nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts durchgeführt.

(2) Jeder Wähler verfügt über eine Stimme, die er für eine Liste abgibt.

(3) Die Vereinigung mehrerer Parteien öder anderen politischen Vereinigungen zu einer Liste ist zulässig. Eine Partei oder andere politische Vereinigung darf sich nur an einer Listenvereinigung beteiligen. Listenvereinigungen gelten für alle Wahlkreise und schließen eigenständige Listen der beteiligten Parteien oder anderen politischen Vereinigungen aus.

(4) Listenvereinigungen gelten bei der Sitzverteilung als eine Liste.

(5) Wahlkreislisten derselben Partei, anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung gelten auf Republiksebene als verbunden.

II.
Wahlvorbereitung

§ 6. (1) Das Wahlgebiet wird in 15 Wahlkreise eingeteilt. Jeder Wahlkreis erhält eine Nummer.

(2) Die Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise und die jeweils mögliche Anzahl der für eine Liste zu nominierenden Kandidaten ergeben sich aus der Anlage zu diesem Gesetz.

§ 7. (1) Die Wahlkommission jedes Wahlkreises legt die Stimmbezirke und die Wahllokale fest:

(2) Ein Stimmbezirk soll nicht mehr als 1 500 Wahlberechtigte umfassen, darf jedoch, nicht. so klein sein, daß die Geheimhaltung der Stimmabgabe gefährdet ist.

(3) Die Bildung der Stimmbezirke ist spätestens am 24. Februar 1990 bekanntzugeben.

(4) Die Bildung von Stimmbezirken für die im Ausland im Auftrag der DDR tätigen wahlberechtigten Bürger sowie deren wahlberechtigte Angehörige mit Hauptwohnsitz in der DDR ist möglich.

§ 8. (1) Wahlvorschläge können von Parteien und anderen politischen Vereinigungen eingereicht werden, die dauernd oder für längere Zeit für die DDR auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung der Bürger in der Volkskammer mitwirken wollen. Kandidaten dürfen nicht  einer, anderen sich an der Wahl beteiligenden Partei bzw. politischen Vereinigung angehören:

(2) Parteien oder andere politische Vereinigungen, die faschistische, militaristische, antihumanistische Ziele verfolgen sowie Glaubens, Rassen und Völkerhaß bekunden oder verbreiten, die Personen und Gruppen aufgrund ihrer Nationalität, ihrer politischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer körperlichen bzw. geistigen Behinderungen diskriminieren oder ihre Ziele mit Gewalt oder durch Androhung von Gewalt zu verwirklichen suchen, sind von der Wahl ausgeschlossen.

Die Entscheidung darüber trifft das aus fünf Personen bei der Wahlkommission der DDR bestehende Präsidium.

(3) Die Parteien, anderen politischen Vereinigungen oder Listenvereinigungen stellen ihre Kandidaten für die einzelnen Wahlkreise in einer verbindlichen Reihenfolge auf.

(4) Die Kandidatur auf der Liste einer Partei oder anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung ist nur in einem Wahlkreis zulässig.

§ 9. Als Kandidat kann nur benannt werden, wer in einer beschlußfähigen Mitglieder oder Vertreterversammlung der Partei oder anderen politischen Vereinigung in geheimer Abstimmung das Vertrauen der anwesenden Mehrheit erhalten nat.

§ 10. (1) Die Wahlkommission fordert am 22. Februar 1990 durch öffentliche Bekanntmachung zur Einreichung der Wahlvorschläge auf.

(2) Die Parteien und anderen politischen Vereinigungen, die sich zur Wahl stellen wollen, teilen dies bis 26. Februar 1990 durch ihre zentralen Leitungsorgane schriftlich der Wahlkommission der DDR mit.  Dieser Mitteilung sind Programm und Statut der Partei oder anderen politischen Vereinigung beizufügen.

(3) Die Absicht zu einer Listenvereinigung ist der Wahlkommission der DDR spätestens bis zum 26: Februar 1990 durch die zentralen Leitungsorgane aller an der Liste Beteiligten schriftlich zu erklären.

§ 11. (1) Die Wahlvorschläge sind bis zum 28: Februar 1990 bei den Wahlkommissionen der Wahlkreise einzureichen.

(2) Die Wahlvorschläge haben zu enthalten:
1. den vollständigen Namen der Partei, der anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung sowie die geläufige Kurzbezeichnung in Buchstaben,
2. die Kandidaten in verbindlicher Reihenfolge,
3. die Unterschrift von mindestens drei bevollmächtigten Vertretern des zentralen Leitungsorgans (Vorstand),
4. Angaben zur Person des Kandidaten: Zu und Vornamen, Geburtsjahr und -ort, Beruf und jetzige Tätigkeit, Wohnanschrift,
5. die schriftliche Erklärung des Kandidaten, daß er mit seiner Nominierung einverstanden ist und der Kandidatur kein gesetzlicher Hinderungsgrund entgegensteht,
6. die Bescheinigung des für den Wohnsitz des Kandidaten zuständigen örtlichen Rates über die Wählbarkeit des Kandidaten.

Den Wahlvorschlägen ist das Protokoll über die Wahl der Kandidaten in der beschlußfähigen Mitglieder bzw. Vertreterversammlung der Partei bzw. anderen politischen Vereinigung beizufügen.

§ 12. Für jeden Wahlkreisvorschlag sind von der jeweiligen Partei,  anderen  politischen Vereinigung und Listenvereinigung eine Vertrauensperson sowie ein Stellvertreter zu benennen.

Sie sind berechtigt, verbindliche Erklärungen zu den Wahlkreisvorschlägen abzugeben und entgegenzunehmen.

§ 13. (1) Die eingereichten Wahlvorschläge sind durch die Wählkommission des Wahlkreises innerhalb von drei Tagen zu prüfen.

(2) Die den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Wahlvorschläge sind durch die Wahlkommission, des Wahlkreises zu registrieren.

(3) Weisen die Wahlvorschläge gemäß §11 Absatz 2 Mängel auf, so benachrichtigt die Wahlkommission unverzüglich die im § 12 für die Wahlkreisvorschläge benannten Verantwortlichen mit der Aufforderung, dieselben zu beseitigen.

(4) Wahlvorschläge werden nicht registriert, wenn:
1. die im § 8 Abs. 2 genannten Voraussetzungen für den Ausschluß von der Wahlbeteiligung vorliegen,
2. die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen gemäß § 11 verstrichen ist,
3. die von der Wahlkommission angezeigten Mängel bis zum Ablauf der Frist für das Einreichen der Wahlvorschläge nicht behoben worden sind,
4. Vertrauenspersonen gemäß § 12 nicht benannt wurden.

(5) Gegen Entscheidungen der Wahlkommission des Wahlkreises gemäß Absatz 4 Ziffer 2 und 4 kann innerhalb von drei Tagen Beschwerde bei der Wahlkommission der DDR eingelegt werden. Die Entscheidung über die Beschwerde ist spätestens bis zum 6. März 1990 zu treffen.

§ 14. (1) Die Wahlkommission der DDR stellt bis zum 9. März 1990 verbindlich fest:
1. welche Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen an der Wahl teilnehmen,
2. die Listenziffer entsprechend der alphabetischen Reihenfolge der Namen der Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen.

(2) Die Wahlkommissionen für die Wahlkreise stellen bis zum 9. März 1990 verbindlich fest, welche Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen im jeweiligen Wahlkreis an der Wahl teilnehmen.

Diese Festlegungen sowie die Wahlvorschläge sind in den Wahlkreisen durch die Wahlkommission amtlich zu veröffentlichen.

§ 15. (1) Wahlvorschläge können nach ihrer amtlichen Veröffentlichung nicht geändert oder zurückgenommen werden, es sei denn, ein Kandidat verliert seine Wählbarkeit oder verstirbt.

(2) Den Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen steht in diesem Fall bis zum 13. März 1990 das Recht zu, Kandidaten nachzunominieren. Nachnominierte Kandidaten einer Liste nehmen den letzten Platz in der Reihenfolge ein.

III.
Wahlkommissionen und Wahlvorstände

§ 16. (1) Die Leitung der Wahlen zur Volkskammer erfolgt durch demokratisch gebildete, öffentlich arbeitende Wahlkommissionen.

(2) Es werden gebildet:
1. ein Präsidium bei der Wahlkommission der DDR, bestehend aus fünf gleichberechtigten, unabhängigen Persönlichkeiten,
2. die Wahlkommission der DDR, bestehend aus dem Vorsitzenden, zwei Stellvertretern und weiteren Mitgliedern sowie einem Sekretär,
3. die Wahlkommissionen der Wahlkreise, bestehend aus dem Vorsitzenden, zwei Stellvertretern, weiteren  Mitgliedern sowie einem Sekretär.

Die Sekretäre besitzen in den Kommissionen kein Stimmrecht.

(3) Die Parteien und anderen politischen Vereinigungen, die sich an der Wahl beteiligen, entsenden in die Wahlkommissionen jeweils zwei Vertreter.

(4) Kandidaten zur Volkskammer können nicht Mitglieder der Wahlkommissionen sein.

§ 17. (1) Die Wahlkommission der DDR wird durch Beschluß der Volkskammer gebildet. Sie nimmt ihre Tätigkeit am 22. Februar 1990 auf.

(2) Die Wahlkommission der DDR beruft auf Vorschlag der Parteien und anderen politischen Vereinigungen die Mitglieder der Wahlkommissionen der Wahlkreise.

(3) Die Wahlkommissionen wählen aus ihrer Mitte in geheimer Abstimmung den Vorsitzenden und die Stellvertreter.

(4) Die Zusammensetzung der Wahlkommissionen ist amtlich bekanntzugeben.

(5) Die Wahlkommissionen bleiben bis zum 90. Tag nach der Wahl bestehen.

siehe zu Abs. 1 den Beschluß der Volkskammer der DDR über die Bildung der Wahlkommission der DDR vom 20. Februar 1990 (GBl. I S. 72) sowie Beschluß der Volkskammer der DDR über die Bildung eines Präsidiums der Wahlkommission der DDR vom 20. Februar 1990 (GBl. I S. 73).

§ 18. (1) Die Wahlvorstände, bestehend aus mindestens sieben Mitgliedern, sind spätestens am 8. März 1990 durch die Wahlkommissionen der Wahlkreise zu bilden. Die Parteien und anderen politischen Vereinigungen haben dazu bis 1. März 1990 ihre Vorschläge zu unterbreiten.

(2) Kandidaten für die Volkskammer können nicht Mitglied eines Wahlvorstandes sein.

(3) Der Wahlvorstand wählt aus seiner Mitte in geheimer Abstimmung den Vorsitzenden, seinen Stellvertreter und den Schriftführer.

§ 19. Der Wahlvorstand entsendet bei Bedarf aus seiner Mitte Mitglieder für die Stimmabgabe in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens und anderen Einrichtungen, einschließlich des Strafvollzuges sowie der Untersuchungshaft. Soweit möglich können sie auf Verlangen auch einzelne Bürger aufsuchen.

§ 20. Die Wahlkommissionen und Wahlvorstände beraten und entscheiden in öffentlicher Sitzung. Sie sind bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder beschlußfähig. Entscheidungen werden mit Stimmenmehrheit getroffen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden, im Falle seiner Abwesenheit die seines Stellvertreters den Ausschlag.

IV.
Wählerverzeichnis

§ 21. (1) Wählen kann nur, wer in das Wählerverzeichnis seines Stimmbezirkes eingetragen ist oder einen Wahlschein erhalten hat.

(2) Für jeden Stimmbezirk wird durch den zuständigen Rat der Stadt, des Stadtbezirkes oder der Gemeinde vom 27. Februar bis 4. März 1990 das Wählerverzeichnis aufgestellt.

§ 22. (1) Die Wählerverzeichnisse sind vom 5. März bis 10. März 1990 öffentlich zur allgemeinen Einsicht auszulegen. Ort und Zeit der Auslegung sowie das Einspruchsrecht gegen das Wählerverzeichnis sind durch den zuständigen Rat in ortsüblicher Weise bekanntzumachen.

(2) Jedem Wahlberechtigten ist bis 8. März 1990 durch dem zuständigen Rat der Stadt, des Stadtbezirks bzw. der Gemeinde eine schriftliche Benachrichtigung über seine Eintragung in das Wählerverzeichnis zu übermitteln.

(3) Die Bürger haben das Recht, die Berichtigung fehlerhafter Eintragungen im Wählerverzeichnis oder dessen Ergänzung beim zuständigen Rat zu beantragen.

Der Rat hat die Angaben zu prüfen und erforderliche Berichtigungen und Ergänzungen vorzunehmen,

(4) Ist die Streichung aus dem Wählerverzeichnis aus den in § 3, Absatz 2 und 3 genannten Gründen vorgesehen, so muß dies dem betreffenden Bürger unverzüglich mitgeteilt werden. Ihm ist Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.

(5) Der Bürger hat das Recht, bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Kreisgericht die Aufhebung der Entscheidung des örtlich zuständigen Rates entsprechend den Absätzen 3  und 4 zu beantragen,

(6) Das Kreisgericht entscheidet innerhalb von drei. Tagen,  spätestens bis einen Tag vor der Wahl endgültig über den Einspruch. Ist der Einspruch begründet, ordnet das Gericht die Berichtigung des Wählerverzeichnisses an.

Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

§ 23. Die Wählerverzeichnisse sind am 16. März 1990 16.00 Uhr: unter Kontrolle von mindestens zwei Mitgliedern aus zuständigen Wahlvorständen zu schließen. Darüber ist ein Protokoll anzufertigen.

Der zuständige Rat informiert die Wahlkommission des Wahlkreises über die Anzahl der wahlberechtigten Bürger.

§ 24. (1) Ein im Wählerverzeichnis eingetragener wahlberechtigter Bürger, der am Wahltag verhindert ist, in seinem Stimmbezirk zu wählen oder der aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde in das Wählerverzeichnis nicht aufgenommen worden ist, erhält auf Antrag beim zuständigen Rat einen Wahlschein. Die Ausstellung von Wahlscheinen ist im Wählerverzeichnis zu vermerken bzw. nach dessen Schließung diesem als Anlage beizufügen.

(2) Die Inhaber von Wahlscheinen können in jedem Stimmbezirk der DDR wählen.

V.
Stimmzettel und Wahllokal

§ 25. (1) Die Stimmzettel werden amtlich hergestellt.

(2) Für die Herstellung sowie für die rechtzeitige Übergabe der Stimmzettel an die Wahlvorstände ist die zuständige Wahlkommission verantwortlich.

(3) Der Stimmzettel des Wahlkreises hat für jeden Vorschlag eine gleichgroße Zeile vorzusehen. Diese Zeile enthält die Listennummer, den Namen der Partei, der anderen politischen Vereinigung oder der Listenvereinigung, soweit vorhanden deren Kurzbezeichnung, die Namen der ersten drei Kandidaten, sowie jeweils einen Kreis für die Stimmabgabe des Wählers.

Bei Listenvereinigungen sind deren Bezeichnung sowie die Kurzzeichen der daran Beteiligten aufzunehmen.

§ 26. (1) Die durch die Wahlkommissionen der Wahlkreise bestimmten Wahllokale sind durch die örtlichen Räte einzurichten. Die Wahllokale werden gleichzeitig mit der Einteilung der Stimmbezirke bekanntgegeben.

(2) Im Wahllokal sind Wahlkabinen so aufzustellen, daß dem Wähler die unbeobachtete Vorbereitung des Stimmzettels möglich ist.

(3) Die Wahlurnen müssen so beschaffen sein, daß die Geheimhaltung der persönlichen Wahlentscheidung zuverlässig gewährleistet ist.

VI.
Wahlhandlung

§ 27. Die Wahlen zur Volkskammer finden in der Zeit von 7.00 Uhr bis 18:00 Uhr statt. Die Wahlhandlung ist öffentlich.

§ 28. (1) Die Wahlhandlung wird vom Wahlvorstand geleitet.

(2) Vor Beginn der Wahlhandlung verpflichtet der Vorsitzende des Wahlvorstandes dessen Mitglieder durch Handschlag.

(3) Der Wahlvorstand überzeugt sich im Beisein von Wählern vom ordnungsgemäßen Zustand der Wahlurnen. Jede Wahlurne ist zu versiegeln.

Das Siegel darf erst nach Abschluß der Wahl zum Zwecke der Stimmauszählung gebrochen werden.

(4) Der Vorsitzende des Wahlvorstandes und sein Schriftführer dürfen sich nicht gleichzeitig außerhalb des Wahllokals aufhalten. Bei Abwesenheit des Vorsitzenden nimmt sein Stellvertreter dessen Aufgaben wahr.

(5) Der Wahlvorstand trifft Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Wahllokal. Diese sind für jedermann verbindlich.

Personen, die die Wahlordnung stören, können vom Wahlvorstand des Wahllokals verwiesen werden.

§ 29. (1) Der Wahlberechtigte erhält den Stimmzettel, nachdem er sich durch Vorlage seines Personalausweises ausgewiesen hat. (2) Inhaber von Wahlscheinen erhalten den Stimmzettel nach Vorlage ihres Personalausweises und Abgabe des Wahlscheines.

(3) Die Wahlscheine werden dem Wählerverzeichnis beigefügt.

(4) Zur Stimmabgabe berechtigen nur die vom Wahlvorstand ausgehändigten amtlichen Stimmzettel.

§ 30. (1) Der Stimmzettel ist von dem Wahlberechtigten in der Wahlkabine zur Stimmabgabe vorzubereiten. Die Benutzung der Wahlkabine ist Pflicht.

(2) Die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Wähler in der Wahlkabine ist untersagt.

(3) Wahlberechtigte, die außerstande sind, selbständig den Stimmzettel zur Stimmabgabe vorzubereiten, sind berechtigt, sich dabei von einer Person ihres Vertrauens unterstützen zu lassen.

§ 31. (1) Der Wähler gibt seine Stimme in gültiger Weise ab, indem er die von ihm gewählte Liste auf dem Stimmzettel eindeutig kennzeichnet. Eine Liste ist eindeutig gekennzeichnet, wenn der Kreis für die Stimmabgabe der vom Wähler gewählten Liste angekreuzt oder mit einer anderen zweifelsfrei bejahenden Kennzeichnung versehen worden ist. Die Stimmabgabe erfolgt durch Einwerfen des gekennzeichneten Stimmzettels in die Wahlurne.

(2) Nach Ablauf der für die Öffnung der Wahllokale festgelegten Zeit sind zur Stimmabgabe nur noch die Wähler zugelassen, die sich im Wahllokal befinden.

Danach erklärt der Vorsitzende des Wahlvorstandes die Stimmabgabe für abgeschlossen.

§ 32. (1) Jede Bekundung für oder gegen eine bestimmte Partei, andere politische Vereinigung, Listenvereinigung oder für einen Kandidaten durch Wort, Ton, Bild oder Schrift ist im und vor dem Wahllokal im Umkreis von etwa 100 Metern untersagt.

(2) Wählerbefragungen und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse sind bis einschließlich 11. März 1990 zulässig.

(3) Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über ihre Wahlentscheidung dürfen erst nach der Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden.

VII.
Feststellung des Wahlergebnisses

§ 33. (1) Unmittelbar nach Beendigung der Wahlhandlung werden die Stimmen durch den Wahlvorstand im Wahllokal öffentlich ausgezählt.

(2) Die nicht ausgegebenen Stimmzettelvordrucke sind zu zählen und in einem versiegelten Umschlag aufzubewahren. Anschließend werden die Stimmzettel aus der Wahlurne entnommen.

(3) Der Wahlvorstand gibt die Anzahl der Wahlberechtigten öffentlich bekannt und ermittelt:
1. die Anzahl der abgegebenen Stimmen,
2. die Anzahl der gültigen und ungültigen Stimmen,
3. die Anzahl der für die einzelnen Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen.

§ 34. (1) Der Wahlvorstand entscheidet über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen.

(2) Der Stimmzettel ist ungültig,
1. wenn ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Stimmabgabe verwendet wurde,
2. wenn der Wille des Wählers nicht eindeutig erkennbar ist,
3. wenn mehr als ein Wahlvorschlag angekreuzt bzw. gekennzeichnet wurde,
4. wenn er Zusätze, Streichungen oder Vorbehalte enthält,
5. wenn er zerrissen ist,
6. wenn der Wähler den Stimmzettel außerhalb der Wahlkabine gekennzeichnet hat.

§ 35. (1) Über die Stimmabgabe und das Ergebnis der Auszählung ist vom Wahlvorstand öffentlich eine Wahlniederschrift anzufertigen.

(2) Die Wahlniederschrift ist vom Vorsitzenden des Wahlvorstandes, vom Schriftführer und von mindestens drei weiteren Mitgliedern zu unterschreiben.

§ 36. (1) Auf der Grundlage der von den Wahlvorständen übersandten Wahlniederschriften überprüft die Wahlkommission des Wahlkreises die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl. Sie faßt die Ergebnisse aus den Stimmbezirken zusammen und stellt auf deren Grundlage fest:
1. die Wahlbeteiligung,
2. die Anzahl der gültigen und ungültigen Stimmen,
3. die Anzahl der für die einzelnen Listen abgegebenen gültigen Stimmen.

(2) Die Wahlkommission fertigt ein Wahlprotokoll an. Es ist durch den Vorsitzenden und mindestens die Hälfte der Mitglieder der Wahlkommission zu unterzeichnen.

§ 37. (1) Die ordnungsgemäße Durchführung und das Gesamtergebnis der Wahlen werden durch die Wahlkommission der DDR festgestellt.

(2) Dia Wahlkommission der DDR gibt das endgültige Ergebnis der Wahl amtlich bekannt.

(3) Die Berechnung der Sitzverteilung erfolgt in der Weise, daß zunächst auf Republiksebene entsprechend § 5 die Anzahl der von einer Partei, anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung insgesamt erreichten Mandate berechnet wird. Danach erfolgt die Berechnung der Mandate einer jeden Partei, anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung auf die Wahlkreise. In beiden Stufen erfolgt die Berechnung nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren.

(4) Nach der Feststellung ihrer Wahl sind die Abgeordneten unverzüglich durch die Wahlkommission der DDR über ihre Wahl schriftlich zu benachrichtigen.

(5) Eine Ablehnung der Wahl hat der Abgeordnete innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Benachrichtigung schriftlich gegenüber der Wahlkommission der DDR zu erklären.

§ 38. Innerhalb der im § 37 Absatz 5 genannten Frist wird im Falle der Ablehnung der Wahl, des Todes oder des Ausscheidens eines Abgeordneten aus sonstigen Gründen aus der Volkskammer der Sitz in Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste derjenigen Partei, anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung besetzt, für die der Ausgeschiedene kandidiert hat. Ist die betreffende Liste erschöpft, bleibt das Mandat unbesetzt.

§ 39. (1) Parteien, ändere politische Vereinigungen oder Listenvereinigungen, die an der Wahl teilgenommen haben, können innerhalb von 20 Tagen nach Bekanntgabe des endgültigen Gesamtergebnisses der Wahl zur Volkskammer die Gültigkeit der Wahlergebnisse anfechten.

(2) Die Anfechtung ist schriftlich unter Darlegung derGründe und Beweismittel gegenüber der Wahlkommission der DDR zu erklären.

(3) Die Wahlkommission der DDR berät und entscheidet innerhalb von zehn Tagen in öffentlicher Sitzung über die Anträge auf Anfechtung der Gültigkeit von Wahlergebnissen.

(4) Die Entscheidung ergeht schriftlich und ist zu begründen. Sie ist endgültig.

(5) Wird einer Anfechtung stattgegeben, so hat die Wahlkommission der. DDR entweder das Wahlergebnis richtigzustellen oder Wiederholungswahlen anzuordnen.

(6) Die Wiederholungswahl muß innerhalb von 21 Tagen nach der Entscheidung durchgeführt werden. Den Termin der` Wiederholungswahl legt die Wahlkommission der DDR fest:

(7) Die Wiederholungswahl findet nach den gleichen Vor: schriften, auf der Grundlage der gleichen Wahlvorschläge und Wählerverzeichnisse statt, soweit in der Entscheidung nichts anderes festgelegt ist.

§ 40. (1) Folgende Wahlunterlagen sind bis zum Ende der Legislaturperiode unter Verschluß aufzubewahren: Protokolle der Wahlkommission der DDR sowie der Wahlkommissionen der Wahlkreise,  Niederschriften der Wahlvorstände sowie Vernichtungsprotokolle gemäß Absatz 2.

(2) Stimmzettel, Wahlscheine und die von den Wahlvorständen verwendeten Wählerverzeichnisse sind zwischen dem 60. und 80. Tage nach der Wahl unter Aufsicht der Wahlkommissionen der Wahlkreise zu vernichten. Darüber ist ein Protokoll anzufertigen und ,der Wahlkommission der DDR zuzuleiten.

VIII.
Beginn und Ende der Rechte und Pflichten der Abgeordneten

§ 41. (1) Die Rechte und Pflichten der Abgeordneten beginnen mit der Feststellung ihrer Wahl und enden am Tag der Wahl zur Volkskammer der neuen Legislaturperiode.

Im Falle der Auflösung der Volkskammer enden die Rechte  und Pflichten der Abgeordneten an diesem Tag.

(2) Während der Legislaturperiode erlischt das Mandat eines Abgeordneten durch Tod, durch Verlust der Wählbarkeit, bei Wechsel der Partei oder anderen politischen Vereinigung oder durch Aufhebung des Mandats. Bei Tod, Verlust der Wählbarkeit oder Wechsel der Partei bzw. anderen politischen Vereinigung stellt die Volkskammer das Erlöschen des Mandats fest.

(3) Abgeordnete haben das Recht, während der Legislaturperiode die Aufhebung ihres Mandats zu beantragen. Die Entscheidung darüber trifft die Volkskammer.

Durch Gesetz vom 20. Juli 1990 wurde der § 41 aufgehoben.

§ 42. Scheidet ein Abgeordneter aus, so rückt der Nächstplazierte auf der betreffenden Liste nach: Ist diese erschöpft, bleibt das Mandat unbesetzt.

Durch Gesetz vom 20. Juli 1990 wurde der § 42 aufgehoben.

§ 43. Die Erstattung von Wahlkosten erfolgt auf der Grundlage des Parteiengesetzes.

§ 44. (1) Dieses Gesetz tritt am 20. Februar 1990 in Kraft:

(2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über die Wahlen zu den Volksvertretungen der Deutschen Demokratischen Republik  -Wahlgesetz-  vom 24. Juni 1978 (GBl. I 1978 Nr. 22 S. 301) i: d. F. des Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes vom 28. Juni 1979 (GBl. I 1979 Nr. 17 S. 139) und des Gesetzes vom 3. März 1989 zur Ergänzung des Wahlgesetzes (GBl. I 1989 Nr. 7 S.109) außer Kraft.

(3) In Übereinstimmung mit dem vorstehenden Wahlgesetz ist eine Ordnung zur Durchführung der Wahl der Volkskammer, am 18: März 1990 (Wahlordnung) von der Volkskammer bis spätestens zum Zeitpunkt der Bildung der Wahlkommission der DDR durch Beschluß zu verabschieden und zu veröffentlichen.

siehe hierzu zu den Beschluß der Volkskammer der DDR zur Durchführung der Wahlen zur Volkskammer der DDR (Wahlordnung) vom 20. Februar 1990 (GBl. I S. 68).

Das vorstehende, von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am zwanzigsten Februar neunzehnhundertneunzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den zweiundzwanzigsten Februar neunzehnhundertneunzig

Der amtierende Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Prof. Dr. Gerlach

 

Anlage zum Gesetz
über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990

1. Für die Durchführung der Wahl zur Volkskammer der DDR am 18. März 1990 folgt die gesetzlich festgelegte Einteilung des Wahlgebietes in 15 Wahlkreise, der territorialen Gliederung der DDR in Bezirke, einschließlich der Hauptstadt Berlin.

2. Die Festlegung der Anzahl der in Wahlkreisen zu nominierenden Kandidaten erfolgt auf der Grundlage der Bevölkerungszahl.

3. Demnach kann in den Wahlkreisen von den Parteien, anderen politischen Vereinigungen oder Listenvereinigungen maximal folgende Anzahl von Kandidaten nominiert werden:
Wahlkreis 1              Berlin                   35
Wahlkreis 2              Cottbus                25
Wahlkreis 3              Dresden               48
Wahlkreis 4              Erfurt                   34
Wahlkreis 5              Frankfurt/O.         21
Wahlkreis 6              Gera                    22
Wahlkreis 7              Halle                    47
Wahlkreis 8              Karl-Marx-Stadt  48
Wahlkreis 9              Leipzig                 37
Wahlkreis 10            Magdeburg          34
Wahlkreis 11            Neubrandenburg  19
Wahlkreis 12            Potsdam               31
Wahlkreis 13            Rostock                28
Wahlkreis 14            Schwerin              18
Wahlkreis 15            Suhl                      17


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I. S. 60
© 24. Februar 2005 - 14. April 2005

Home            Zurück             Top